Wie sind die Westdeutschen in den fünfziger Jahren mit dem Problem der NS-Vergangenheit politisch umgegangen? Nicht nur die von Adenauer geführte Bundesregierung, sondern auch die sozialdemokratische Opposition zeigte sich bereit, dem massiven gesellschaftlichen Verlangen nach einem „Schlußstrich“ unter die seit 1945 praktizierte Entnazifizierung und die Ahndung von NS-Straftaten zu entsprechen. Das Ergebnis war eine „Vergangenheitspolitik“, die schließlich sogar schwerstbelasteten Kriegsverbrechern die Freiheit brachte und den späteren Vorwurf einer „unbewältigten Vergangenheit“ begründete.Bitte genau zu lesen: Nicht die "Bewältigung der Vergangenheit" wird hier untersucht -- ein ebenso belasteter wie diffuser Begriff -- sondern der offizielle Umgang mit der vor 50 Jahren gerade erst gewesenen Vergangenheit. Es geht um die Politik der allerersten Bonner Jahre. Was, so lautete die Frage, sollte mit den Millionen von Nazis geschehen, den großen und den kleinen, den mitgelaufenen, den Tätern, den Opportunisten? Welche Gesetze sollten gelten?
Die Versuche der Sieger, dem Nationalsozialismus per Justiz beizukommen, stießen auf wenig Verständnis; nicht einmal Nazi-Gegner billigten die Ergebnisse. Die öffentliche Meinung war für einen Schlußstrich, und das junge Parlament trug dem Rechnung: bis zum Januar 1951 waren bereits fast achthunderttausend Verfahren eingestellt.
Mit dem berühmt-berüchtigten § 131 wurde rund einer Million nazistisch belasteter Staatsdiener Entschädigung dafür zuerkannt, daß sie nach 1945 hinausgeworfen worden waren.
Selbst die Wiedereingliederung von Kriegsverbrechern sah man unproblematisch und nur unter dem Gesichtspunkt möglichst zügiger Rückkehr zu normalen Verhältnissen. Frei dokumentiert zum Beispiel den persönlichen Einsatz eines Mannes wie Carlo Schmid von der SPD für einen Massenmörder, der ihm aus Universitätstagen als Jurist bekannt war, und der während des Krieges in Estland ein paar Hundert Leute hatte erschießen lassen.
Eine von Freis interessanten Schlußthesen: Der schon las hysterisch zu bezeichnende Wille der Allgemeinheit zur Amnestie für alle und jeden könne verstanden werden "als eine unbewußte Anerkennung -- und entsprechend vehemente Abwehr -- der Kollektivschuldthese."
Freis differenzierte, auf die Quellen zurückgehende Untersuchung ist ein wichtiges, hochaktuelles Buch, das uns zeigt, welch weiten Weg Staat und Gesellschaft in dieser Frage seit 1949 zurückgelegt haben. --Michael WinterollWie sind die Westdeutschen in den fünfziger Jahren mit dem Problem der NS-Vergangenheit politisch umgegangen? Nicht nur die von Adenauer geführte Bundesregierung, sondern auch die sozialdemokratische Opposition zeigte sich bereit, dem massiven gesellschaftlichen Verlangen nach einem „Schlußstrich“ unter die seit 1945 praktizierte Entnazifizierung und die Ahndung von NS-Straftaten zu entsprechen. Das Ergebnis war eine „Vergangenheitspolitik“, die schließlich sogar schwerstbelasteten Kriegsverbrechern die Freiheit brachte und den späteren Vorwurf einer „unbewältigten Vergangenheit“ begründete.
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